Nein, Tilsit ist das hier noch nicht. Es ist Kleipeda, das ehemalige Memel, das ich von Saßnitz aus mit der Fähre erreichte. Von dort ging es nach Nidden (Nida) auf der kurischen Nehrung, wo ich die Grenze nach Rußland passierte. An diesem Grenzübergang ist nicht viel los und so hat es auch nur 40 Minuten gedauert, bis ich mit meinem Wagen auf russischen Boden rollte. Die Grenzbeamten waren sehr freundlich und hilfsbereit, sprachen deutsch mit mir und halfen mir beim Ausfüllen der Einreisepapiere für mein Auto.

Ich war aber auch gut vorbereitet: Visum, grüne Versicherungskarte mit "RUS"-gültigkeit, D-Schild, Feuerlöscher an Bord, Auslandskrankenversicherung... Selbst ein paar Brocken russisch hatte ich bei der Volkshochschule gelernt.
Die kurische Nehrung bietet sich an, wenn man mal einfach nur ausspannen will. 40 Kilometer breiter Sandstrand, Dünen, Wälder und kleine malerische Dörfer. Die 5 Tage, die ich dort verbrachte, waren aber auch mehr als genug. Es sei denn man heißt Thomas Mann und will in Ruhe ein Buch schreiben...
Nach viereinhalb Stunden Autofahrt bei Dauerregen und Orkan erreichte ich über die schlechtesten Straßen der Welt Sowjetsk, das ehemalige Tilsit.
Ein Mazda MX5 ist ein lustiges Auto, aber für die russischen Straßen leider völlig ungeeignet. O.K., robust genug um diese Folter zu überstehen, was auch für den Fahrer gilt. Und dank meines ausgezeichneten Reaktionsvermögens konnte ich die großen, tötlichen Schlaglöcher vermeiden. Aber allein das Kopfsteinplaster in Tilsit... Ein Motocross Trail ist da leichter zu bewältigen. Überhaupt sind 80 Prozent der Stadt renovierungsbedürftig, wenn sich da überhaupt noch was retten läßt.

Mein Ziel lag allerdings am Rande der Stadt. Die kleine Siedlung Über'm Berg, wo mein Vater vor dem zweiten Weltkrieg gelebt hat. Mit Hilfe eines alten Stadtplans, war die Siedlung auch schnell gefunden. Das Elternhaus meines Vaters trägt noch die alte Hausnummer. Viel getan hat sich in der Siedlung nicht seit 1945. Keine befestigte Straße. Ein Gefühl von Heimat überkommt mich hier nicht. Vielleicht lag es auch ein wenig an den heftigen Schauern, aber ich denke, bei schönem Wetter hätte es hier auch nicht anders ausgesehen. Und mal ganz ehrlich: Ich will weder Tilsit, noch Ostpreußen wieder haben. Da gibt es nichts, was man vermisst.

Am nächsten Tag verließ ich Tilsit wieder. Diesmal über die Königin-Louise Brücke in Tilsit. Hier dauerte die Abfertigung 2 Stunden und die bummeligen Beamten machten sich auch noch über meinen Wagen lustig, der weder über ein festes Dach, noch über ein Reserverad verfügt. Ganz schön mutig für Russland. Dafür bewunderten sie den kleinen Zettel am Motor, der auf den nächsten Ölwechsel hinweist. Das ist halt deutsche Gründlichkeit...